Raitenhaslach als Beispiel wie der Mensch in Einklang mit der Natur leben kann – Biber als Landschaftsgestalter – Blühweiden und Büffelweide nicht betreten
Wer in den letzten Wochen in Raitenhaslach unterwegs war, konnte sie kaum überhören: Unzählige Frösche quaken in den vielen Weihern und Feuchtwiesen zwischen dem Klosterareal und der Büffelweide um die Wette. Doch nicht nur für Frösche ist Raitenhaslach ein wahres Paradies. Viele Tierarten, darunter einige, die es in Deutschland nur noch selten gibt, wie zum Beispiel die vom Aussterben bedrohte Schnepfenart der Bekassinen, finden dort einen geschützten Lebensraum. Erstmals seit Jahrzehnten haben sich außerdem zwei Weißstörche in Raitenhaslach niedergelassen.
„Raitenhaslach ist ein Paradebeispiel dafür, wie Landwirtschaft und Natur im Einklang funktionieren können“, sagt Holger Lundt, Vorsitzender der Ortsgruppe Burghausen des Bund Naturschutzes. Es sei ein Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren und ein proaktiver Ansatz vieler Beteiligten, die dazu geführt haben, dass heute so viele Arten in den Wiesen um Raitenhaslach anzufinden sind.
Ein besonders wichtiger Akteur ist der Biber, der einen der Bäche in Raitenhaslach seit letztem Jahr sein Zuhause nennt. Durch seinen kleinen Damm werden eine anliegende Wiese zum Teil überschwemmt und ein zusammenhängendes Flachwassersystem ist entstanden. Und das kommt vielen Tierarten zu Gute: Amphibien und Insekten haben dort einen idealen Lebensraum. Durch diese wiederum finden Vögel, zum Beispiel das Storchenpaar, genügend Nahrung.
Auch die Wasserbüffel profitieren vom Biber. Auf ihrer Weide haben sie nun einen Tümpel, der groß und tief genug ist, um auch in heißen Sommerperioden nicht vollständig auszutrocknen. „Durch den Biber können wir also auch die artgerechte Haltung der Wasserbüffel verbessern“, erklärt Landwirt Matthias Reißaus, dem die Büffel sowie die Murnau-Werdenfelser-Rinder gehören. „Wir betreiben hier extensive Weidewirtschaft, dadurch macht uns der Biber keine Probleme. Ganz im Gegenteil, es hat nur Vorteile, dass sich hier ein Biber angesiedelt hat.“
Letzten Sommer beispielsweise mussten die Tümpel teilweise mit hohem Aufwand von der Freiwilligen Feuerwehr Raitenhaslach mit Wasser befüllt werden. Denn die Tiere brauchen die Abkühlung, sobald es über 20 Grad hat. Die Wasserbüffel tragen selbst zum Artenreichtum bei: Durch das Suhlen im Schlamm sorgen sie dafür, dass die Tümpel-Ufer freigehalten werden und gleichzeitig bietet ihr Dung Nahrung für viele Insekten- und Vogelarten.
Nicht nur für viele Tiere, auch für den Menschen hat es Vorteile, wenn ein Biber sich ansiedelt. „Der Biber ist ein Landschaftsgestalter und damit auch ein Klimaschützer, denn er sorgt dafür, dass ehemalige Moorböden wieder vernässen und damit erneut CO2 speichern“, weiß Holger Lundt. Zusätzliche schützt der Biber indirekt die Hangwälder zur Salzach indem er den oberen Grundwasserspiegel steigen lässt. Die Bäume am Hang bekommen so mehr Feuchtigkeit und einem weiteren Waldsterben wird so vorgebeugt.
Dass es gut funktioniert, dass der Biber sich so nah an landwirtschaftlichen Nutzflächen und Siedlungen niedergelassen hat, ist nicht selbstverständlich. „Mit monotonisierter Landwirtschaft würde das nicht funktionieren, man braucht ein dynamisches System und muss Strukturmaßnahmen dafür schaffen, dann können alle davon profitieren. Ganz nach dem Motto ‚mehr Wildnis wagen‘“, sagt Matthias Reißaus. „In Raitenhaslach sieht man an einem kleinen Beispiel wie Klimaschutz auch im Großen funktionieren könnte. Man muss es nur zulassen“, fügt Holger Lundt noch hinzu.
Das Umweltamt appelliert an alle, die sich nun die wilde Natur in und um Raitenhaslach ansehen wollen oder all diejenigen, die schon viele Male dort spazieren waren: Achten Sie auf die Umwelt. Bleiben Sie auf den Wegen und betreten Sie die Wiesen und Weiden nicht. Dort haben unter anderem seltene Bodenbrüter ihre Nester. Teil der Büffelherde sind außerdem drei Kälber, die von den Mutterkühen vehement beschützt werden. Eine Bitte auch an die Hundebesitzer: Leinen Sie Ihre Hunde an, damit diese nicht auf den Wiesen herumlaufen bzw. die Rinder nicht erschrecken.